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Aktuelles

Reform des Sexualstrafrechts

 

Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht beschlossen.

Mit dem neuen Gesetzentwurf sollen zukünftig Nacktbilder, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, die verbreitet oder mit denen Geschäfte gemacht werden, unter Starfre gestellt werden. Zudem ist in den Entwurf die Problematik des "Cybermobbing" aufgenommen worden und längere Verjährungsfristen.

Der Gesetzentwurf sieht insbesondere folgende Änderungen vor:

 

1. Verlängerung im Verjährungsrecht

Die Verjährungsfristen sollen erst mit der Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers beginnen. Dies spiegelt die Erfahrung wieder, dass viele Opfer erst nach Jahren den Mut finden, derartige Geschehnisse zu verarbeiten und nach außen zu tragen. Bislang ruht die Verjährung bis zum 21. Lebensjahr des Opfers. Mit der Änderung werden die Belange von Opfern von Sexualdelikten stärker berücksichtigt. Schwere Sexualdelikte, die einer Verjährungsfrist von 20 Jahren unterliegen, können damit zukünftig nicht mehr vor Vollendung des 50. Lebensjahres des Opfers verjähren, selbst wenn das Opfer zur Tatzeit minderjährig war.

 

2. Strafbarkeit der unbefugten Herstellung, Weitergabe und Verbreitung von Bildaufnahmen, die geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, oder von Bildaufnahmen unbekleideter Personen, insbesondere von Kindern, auch außerhalb von Wohnungen oder geschützten Räumen (§ 201a StGB)

 

In Ergänzung der Strafbarkeit von Herstellung, Weitergabe, Verbreitung sog. "Posing"-Bilder nach §§ 184b, 184c StGB wird dem Entwurf nach auch die Herstellung, Weitergabe und Verbreitung von Nacktaufnahmen insbesondere von Kindern und Jugendlichen unter Strafe gestellt, die unter Verletzung deren Persönlichkeitsrechten entstanden sind. Erfasst wird damit auch das Austauschen von Kinder-und Jugendnacktbildern in sog. "Tauschbörsen". Problematisch erscheint hierbei der unbestimmte Begriff des Ansehens und wann genau Bilder geeignet sind, diesem zu Schaden.

 

3. Erweiterung der Straftatbestände des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und von Jugendlichen um weitere Verhältnisse sozialer Abhängigkeit (§ 174 StGB)

 

Es soll künftig auch die Fälle erfasst werden, bei denen es sich bei dem Täter um den Vertretungslehrer des Opfers handelt.

 

4. Strafbarkeit des sog. Posings

 

Es handelt sich um eine gesetzliche Klarstellung, dass Bilder von Kindern und Jugendlichen in unnatürlicher geschlechtsbetonter Körperhaltung wie bislang auch unter den Begriff der "pornographischen Schriften" fallen. Künftig wird es aber nicht mehr erforderlich sein, dass die Körperhaltung aktiv eingenommen wird, d. h. auch Bilder von schlafenden Kindern in einer solchen Körperhaltung sind zukünftig strafbar.

 

5. Strafbarkeit des sog. Cybergroomings

Bislang nur strafbar, wenn durch "Schriften" i.S.d. § 11 Abs. 3 StGB auf das Opfer eingewirkt wurde, worunter derzeit grundsätzlich nur Speichermedien fallen. Es werden alle Formen der modernen Kommunikation ausdrücklich erfasst, also auch solche Fälle, in denen die Informationsübertragung nur über Datenleitungen nur erfolgt.

 

Aktuelle Gerichtsentscheidungen

 

 

Der Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 3 StGB steht nicht entgegen, dass sich das Opfer gegen die sexuellen Übergriffe des Täters sträubt und diesen bittet, damit aufzuhören. Denn einer einverständlich vorgenommenen sexuellen Handlung bedarf es nicht.

 

 

Beschluss vom 24.07.2014 - 3 StR 286/14

 

 

Behandelt wird die Frage, ob ein entgegenstehender Wille zur Erfüllung des Tatbestands des sexuellen Missbrauchs notwendig ist. Teilweise gefordert, dass das Merkmal des Ausnutzens nur durch einverständlich vorgenommene sexuelle Handlungen erfüllt werden kann. Laut BGH sei ein Ausnutzen auch gegeben, wenn das jugendliche Opfer seinen noch unterentwickelten entgegenstehenden Willen nicht verwirklichen oder aufgrund der Dominanz des Täters nicht durchsetzen könne. Insofern sei nicht erforderlich, dass der Jugendliche infolge seiner fehlenden Selbstbestimmung überhaupt keinen entgegenstehenden Willen entwickeln könne.

 

 

 

Das Herunterladen von kinderpornografischen Dateien bei einem sogenannten Filesharing-Client erfüllt nicht den Tatbestand des Verbreitens, sondern den des Öffentlichmachen von kinderpornografischen Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB.

 

 

Beschluss vom 12.11.2013 - 3 StR 322/13

 

 

Das Herunterladen von Dateien mit einem sogenannten Filesharing-Client erfüllt den Tatbestand des öffentlichen Zugänglichmachens von kinderpornografischen Schriften. Ein öffentliches Zugänglichmachen ist bereits zu bejahen, wenn dem Adressaten die Möglichkeit des Zugriffs eröffnet wird.

Dies ist bei einem Filesharing-Client der Fall. Die Dateien werden beim Herunterladen anderen Nutzern zur Verfügung gestellt werden. Ein tatsächlicher Zugriff ist nicht entscheidend, sondern die Möglichkeit. Im Gegensatz dazu muss für das Verbreiten die übertragene Datei auf einem permanenten Medium gespeichert oder im Arbeitsspeicher des Rechners angekommen sein.

 

 

Für die Annahme einer sexuellen Handlung vor einem Kind im Sinne der § 176 Abs. 4 Nr. 1, § 184 g Nr. 2 StGB ist über deren Handlung durch das Tatopfer hinaus erforderlich, dass der Täter das Kind so in das Geschehen einbaut, dass für ihn die Wahrnehmung der sexuellen Handlung durch das Tatopfer von handlungsleitender Bedeutung ist.

 

 

Beschluss vom 21. November 2013 - 2 StR 459/13

 

 

Der BGH hat festgestellt, dass § 176 Abs. 4 Nr. 1 und §184g Nr. 2 StGB restriktiv auszulegen sind. Mit der Folge, dass für die Annahme einer sexuellen Handlung vor einem Kind der Täter das Kind in das aktuelle Geschehen einbeziehen muss und dass für ihn die Wahrnehmung der sexuellen Handlung von Bedeutung für sein Handeln ist. Eine bloß zufällige Wahrnehmung durch ein potentielles Opfer reicht nicht aus.

 

 

Berührungen anderer Körperstellen als der Geschlechtsteile eines Kindes nur dann sexueller Missbrauch, wenn es sich um Feststellungen von einiger Erheblichkeit handelt

 

 

Beschluss vom 23. Juli 2013 - 1 StR 204/13

 

 

Berührungen anderer Körperstellen als den Geschlechtsteilen, stellen nicht unbedingt eine sexuelle Handlung dar. Es bedarf einer gewissen Erheblichkeit, die sich aus der Art, Intensität und Dauer der Berührung ergibt.

 

 

Prüfung einer sexuellen Nötigung unter Ausnutzen einer schutzlosen Lage erfordert Auseinandersetzung mit einer eventuellen Fluchtmöglichkeit

 

 

Beschluss vom 20. März 2012 – 4 StR 561/11

 

 

Zur Bewertung einer sexuellen Nötigung müssen ausdrücklich die Fluchtmöglichkeiten des Opfers miteinbezogen werden, um eine schutzlose Lage des Opfers feststellen zu können. Neben den äußeren Gegebenheiten, Art des Tatorts, ist auch die Fähigkeit und Möglichkeit des Opfers, Widerstand zu leisten, zu berücksichtigen.

 

 

Der Qualifikationstatbestand der besonders schweren Vergewaltigung ist nicht erfüllt, wenn sich der Täter erst nach Abschluss der Gewalthandlung dazu entschließt, den Geschlechtsverkehr mit seinem Opfer durchzuführen

 

 

Beschluss vom 29. August 2012 – 4 StR 277/12

 

 

In dem Beschluss geht es um den maßgeblichen Zeitpunkt der Gewaltanwendung zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands gem. 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2a StGB. Die Gewaltanwendung muss mit der Absicht erfolgen, die Vergewaltigung zu ermöglichen. Entschließt sich der Täter zur Gewaltanwendung aus einem anderen Motiv heraus und beschließt erst nach Abschluss dieser Handlung zu einer Vergewaltigung überzugehen, so ist die Qualifikation nicht erfüllt.

 

 

Verbreitung kinderpornographischer Schriften: Öffentliches Zugänglichmachen kinderpornographischer Dateien im Internet  

       

(BGH, Beschluss vom 12. November 2013 – 3 StR 322/13)

 

In seinem Beschluss vom 12.11.2013 - 3 StR 322/13 stellte der Bundesgerichtshof (BGH) klar, dass das Herunterladen von Dateien durch einen sogenannten Filesharing-Client den Tatbestand des öffentlichen Zugänglichmachens von kinderpornografischen Schriften erfüllt, indem durch diese Anwendung potentiellen Adressaten der Zugang zu entsprechenden Materialien ermöglicht wird. Auf einen tatsächlichen Zugriff kommt es nicht an, die Möglichkeit reicht aus!

Dies ist nach Ansicht des BGH bei einem Filesharing-Client der Fall, da die Dateien beim Herunterladen gleichzeitig anderen Nutzern zur Verfügung gestellt werden. Für das Verbreiten muss hingegen im Gegensatz dazu die übertragene Datei entweder auf einem permanenten Medium gespeichert oder im Arbeitsspeicher des Rechners angekommen sein, was einen tatsächlichen Zugriff erfordert.

Das Herunterladen von kinderpornografischen Dateien bei einem sogenannten Filesharing-Client erfüllt nicht den Tatbestand des Verbreitens, sondern den des Öffentlichmachens von kinderpornografischen Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB.

 

Auslegung des § 176 IV Nr. 1 StGB

(BGH, Beschluss vom 21. November 2013 – 2 StR 459/13)

 

Der BGH hob ein Urteil des Landgerichts Erfurt auf.

Der Angeklagte wurde wegen sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines anderen Kindes verurteilt.

Die Situation stellte sich so dar, dass der Angeklagte sexuelle Handlungen an einem Kind vorgenommen hatte, als ein anderes Kind hinzukam. Er erkannte, dass das weitere Kind das Geschehen beobachtete, setze seine Handlungen aber fort.

Der BGH sah dies als nicht ausreichend für die Annahme eines weiteren sexuellen Missbrauchs an. Der Grund sit, dass die Tatbestandsverwirklichung zwar keine Absicht erfordert. Allerdings müsse die Auslegung der § 176 Abs. 4 Nr. 1 und §184g Nr. 2 StGB aufgrund der vom Gesetzgeber nicht gewollten Strafausdehnung restriktiv erfolgen. Deswegen muss das Kind derart in das Geschehen eingebunden werden, dass die Wahrnehmung der sexuellen Handlung durch das Kind für den Täter handlungsleitend ist.

 

 

Mögliche Folgen einer Veruteilung wegend des Besitzes von Kinderpornographie

(VG Hannover, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 18 A 5986/13)

 

Diese Entscheidung des VG Hannover beschäftigt sich mit den Folgen für Beschäftigte im Beamtenverhältnis bei einer Verurteilung wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften. Obwohl diese Entscheidung vor einem Verwaltungsgericht und nicht vor einem Strafgericht verhandelt wurde, da es sich hier nicht mehr um die Straftat, sondern um ein Dienstvergehen im Beamtenverhältnis drehte, zeigt sie die möglichen Konsequenzen einer Verurteilung auf. Der Beklagte, Lehrer an einer Realschule, wurde regelmäßig mit „gut“ bis „sehr gut“ von seinem Dienstherren bewertet, sodass man sagen könnte, es handelt sich um einen grundsätzlich verlässlichen Arbeitnehmer.

 

Der Dienstherr des Beamten forderte wegen einer Straftat gem. § 184b Abs. 4 StGB die Entfernung des Beamten aus dem Dienstverhältnis, wobei das Strafmaß des§ 184 Abs. 4 sich auf bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe beläuft.

Es drohte das berufliche Aus. Das Gericht entschied schließlich nur auf eine Rückstufung des Beamten.

Entscheidend für diesen Beschluss war die Würdigung des Einzelfalls. Das Gericht stellte heraus, dass sich die ausgesprochene Strafe, die sich auf 50 Tagessetze belief, am unteren Rand des Strafmaßes befand, sodass auch der Verstoß des Beamten entsprechend gering gewertet wurde.

 

Eine Verurteilung mit Freiheitsstrafe hätte gravierendere Konsequenzen gehabt.

 

Das Gericht betonte: „Das Ausmaß des Ansehensschadens, der durch eine außerdienstlich begangene Straftat hervorgerufen wird, wird maßgeblich durch diesen Strafrahmen bestimmt, sodass bei Fehlen jeglichen Dienstbezuges und einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr allenfalls eine Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich in Betracht kommt.“

 

Es ist also der im Strafverfahren erreichten niedrigen Strafe zu verdanken, dass das berufliche Aus nicht eingetreten ist.

 

Derartige Resultate können jedoch nur bei frühzeitiger Einschaltung eines Strafverteidigers erreicht werden.

Der Strafverteidiger kann nicht nur den Unterschied zwischen Freiheits- und Geldstrafe bedeuten, sondern ebenso die berufliche Existenz schützen.

 

 

Folgen des Vorwurfs der Kinderpornographie anhand des Falls "Edathy"

 

Die hier aufgeführte Darstellung soll aufzeigen, wie verheerend allein der Vorwurf der Kinderpornographie ist und wie groß die Gefahr einer Vorverurteilung sein kann. Die Information wurden aus verschiedenen Medien zusammengetragen. Eine Quellenübersicht findet sich am Ende des Beitrages.

 

Sebastian Edathy wurde 1998 das erste Mal in den Bundestag gewählt. Insgesamt ist ihm dies fünf Mal gelungen. Weitreichende Bekanntheit erlangte der mittlerweile zurückgetretene MdB durch die Leitung des Untersuchungsausschusses hinsichtlich der „NSU“-Morde, dessen Abschlussbericht er im August 2013 vorlegte.

 

Im Februar 2014 wurden Büros und Wohnung Edathys durchsucht.

Begründet wurde dieser schwerwiegende Eingriff durch die Behörden, dass gemäß der Erfahrung der Ermittlungsbehörden bei Besitz legaler Aufnahmen Minderjähriger in der Regel auch Illegales Material zu finden ist.

Edathy kaufte Nacktaufnahmen Minderjähriger auf einer kanadischen Internetseite, die nach geltendem Recht legal wohl gewesen sind. Das Verfahren läuft jedoch weiterhin. Bislang wurde noch kein Illegales Material gefunden. Es konnten ihm noch keine Straftaten nachgewiesen werden.

Hier ist bereits die besondere Lage im Bereich der Kinderpornographie zu erkennen. Dass die Polizei einen grundrechtlichen Eingriff mit legalem Verhalten begründet, wäre in anderen, weniger emotional aufgeladenen Bereichen undenkbar.

In einem Spiegel-Interview machte Edathy selbst einen passenden Vergleich.

Obwohl ein Großteil von Cannabis-Konsumenten Tabak raucht, kann die Wohnung eines starken Rauchers nicht wegen des Verdachts auf Cannabis-Besitz oder -Anbau durchsucht werden.

Edathy legte sein Amt nieder und hält sich momentan außerhalb Deutschlands auf, um dem Medienrummel zu entgehen. Obwohl noch kein Nachweis einer strafrechtlichen Handlung vorliegt, ist es ihm Medienberichten zufolge kaum möglich ein normales Privatleben zu führen.

 

Der Fall zeigt deutlich wie emotional die Öffentlichkeit beim bloßen Verdacht der Kinderpornographie reagiert und wie schnell es zu einer Vorverurteilung im Umfeld Betroffener kommen kann, trotzdem sollte eigentlich die Unschuldsvermutung gelten. Die Folgen eines solchen Vorwurfs sind für eine Person, die nicht im öffentlichen Leben steht, ebenso einschneidend. Scheuen Sie sich nicht, sich vorurteilsfrei von einem versierten Strafverteidiger beraten zu lassen und machen Sie von ihrem Recht Gebrauch.

 

Informationen bezüglich des Falles sind Artikeln der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dem Handelsblatt, dem Spiegel und der Süddeutschen Zeitung entnommen.

 

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